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Sebastian
von Jennifer Hepler
Sebastian schmal


Prinzen sind nicht für Keuschheit gemacht.

Das sage ich mir, seit mich die Soldaten meiner Eltern in dieses Kloster schleppten und mich dort verrotten ließen. Sie sagen, dass ich eine Schande für den Namen der Familie Vael bin, dass ich meinem Bruder zur Last fallen werde, wenn er Starkhaven regiert. Ich sage, wenn man ein Prinz ohne Macht ist, kann man seinen Titel auch dazu nutzen, sich zu amüsieren.

"Sebastian?" Die Stimme meines Kerkermeisters, Captain Leland von der Leibwache meiner Eltern, loyal bis in den Tod. In diesem Fall, meinem Tod. "Braucht Ihr heute Abend noch etwas, Eure Hoheit?"

"Mir geht es gut." Lass ihn gehen. Ich muss allein sein. Einen Moment, dann hallen seine Schritte den Flur hinunter. Wir wiederholen das jede Nacht; er sollte darauf vertrauen, dass ich in meiner Zelle bleibe, gehorsam, schlafend.

Ich klappe den Zettel auf, der unter meinem Teller im Speisesaal lag.

Sebastian - Ich weiß, dass du es hier hasst. Wenn du gehen willst, komm um Mitternacht zum Hintereingang. Ich werde dafür sorgen, dass uns niemand stört.

Es ist die Handschrift einer Frau, zierlich und leicht verschlungen. Ich frage mich wieder, wer sie geschrieben haben könnte. Sicherlich eine andere Novizin. Neulich habe ich ein hübsches Mädchen am Altar beten sehen; vielleicht wurde sie auch gegen ihren Willen hierher gebracht.

Ich sehe an der Tür nach. Ich bin gehorsam gewesen, sie haben mich noch nicht eingeschlossen. Ich murmle ein kurzes Gebet: "Andraste, helft mir hier raus und..."

Die Ironie trifft mich und ich halte inne. Es ist nicht so, dass ich nicht glauben würde. Ich bin auf meine Weise gläubig gewesen. Ich habe als Junge den Gesang gelernt und kann immer noch bei jedem Vers einsteigen. Ich habe treu den Zehnten gegeben, das bisschen Geld, das ich je mein Eigen nannte. Ich bin für das Richtige eingetreten: Ich habe dagegen gekämpft, dass Tevinters Sklavenhändler einen Fuß nach Starkhaven setzen, ich war freundlich zu unseren Elfen. Und im Gegenzug hat mich Andraste aus so mancher Klemme befreit. Bis heute schien es mir nie seltsam, sie um Hilfe zu bitten, um das Herz einer Dame oder eine Kneipenschlägerei zu gewinnen. Aber kann ich sie wirklich bitten, mir zu helfen, ihrem Dienst zu entkommen?

Lasst mich jetzt gehen, flehe ich leise, und ihr könnt später haben, was immer Ihr von mir verlangt. Wenn ich alt bin. Ich werde in meinem Ruhestand gerne ein Gelübde ablegen, wie Großvater, aber zwingt mich nicht, mein Leben jetzt aufzugeben.

Der Flur ist leer. Keinerlei Anzeichen dafür, dass sie etwas gehört hat.

Mein Bogen ist in meinen Händen. Großklerikerin Elthina hat darauf bestanden, dass ich meine Sachen behalten darf, dem Erbauer sei Dank.

Am Ende der Halle brennt eine Kerze. Ich schieße einen Pfeil ab, der den Docht durchschlägt und uns in der Dunkelheit zurücklässt. Ich warte, aber es kommt niemand. Ich bin allein.

Ich laufe leicht und lautlos über den gewebten Antivanischen Teppich. Ich bin es gewohnt, mich in der Dunkelheit zu bewegen. Am Ende des Flurs ist ein großes Fenster verriegelt, gegen die Winterkälte. Das Holz ist steif von der Feuchtigkeit und lässt sich nur schwer bewegen, aber mit einem kräftigen Stoß meiner Schulter kann ich eine Seite zur Nacht hin öffnen. Außerhalb der Kirche von Kirkwall gibt es keine Bäume, aber ich habe Glück. Eines der Nebengebäude ist aus Holz und groß genug, um es zu nutzen.

An meiner Hüfte hängt eine Rolle Seil, die mir mein geheimnisvoller Komplize hinterlassen hat. Ich mache einen festen Knoten kurz hinter der Befiederung eines Pfeils und lasse ihn fliegen. Mit einem kurzen Nachtrag zu meinem früheren Gebet denke ich: Na gut, Andraste, wenn du mich von deinen Müttern fangen lassen willst, dann tu es, aber lass nur diesen Pfeil halten. Ich kann mir keine schlimmere Art zu sterben vorstellen, als mir den Hals zu brechen, während ich versuche, aus dem Fenster der Kirche zu klettern.

Und sie muss es gehört haben, denn das Seil ist straff, der Pfeil ist stark, mein Griff ist gut, und in einem Herzschlag treffen meine Beine auf Holz. Ich rolle das Seil langsam auf und klettere hinunter.

Ein Schatten bewegt sich unter mir. Einen Moment lang verfluche ich, dass ich beide Hände für das Seil brauche, und mein Bogen nutzlos von meinem Rücken herab hängt. Dann schüttle ich den Kopf. Wenn mich jemand erwischt, werde ich nicht kämpfen. Ich hasse niemanden in dieser Kirche; es sind gute Menschen, die dem Erbauer dienen, so gut sie können. Ich beschwere mich über meine Eltern, weil sie mich zur Strafe hierher geschickt haben, weil sie mich zu einem Zölibatsgelübde gezwungen haben, um die Kinder meiner Brüder vor rivalisierenden Erben zu schützen, die ich zeugen könnte.

Ich werde niemanden für meine Freiheit töten. Ich kann sie so sehr schätzen, wie ich will, aber sie ist es nicht wert auch nur ein einziges Leben zu opfern.

Ich lasse mich auf den Boden fallen und meine Stiefel bleiben im Lehm stecken. Und jetzt erst sehe ich, was ich vorher nicht sehen konnte. Mehr als eine Person wartet auf mich in der Dunkelheit der Mauern der Kirche. Das kann nicht meine geheimnisvolle Komplizin sein - sie wäre allein, nicht von Templern umrundet. Einen Moment lang denke ich daran zu fliehen, aber meine Ausbildung hindert mich daran. Wenn ich diese Schlacht schon verliere, dann wenigstens mit Würde. Prinzen laufen nie weg.

Eine der Gestalten tritt vor. Es ist eine Frau, grauhaarig und mit karmesinrotem Gewand.

"Wie ich sehe, habt Ihr meine Nachricht erhalten."

Mein Herz macht einen Sprung - kann sie es doch sein, meine rebellische Mitnovizin? Aber dann erkenne ich die Stimme. Ich habe sie schließlich fast mein ganzes Leben lang gehört, als ich dem Gesang in Kirkwall, in Starkhaven und in dem Rest der Freien Marschen lauschte. Großklerikerin Elthina, Mutter von uns allen.

"Euer Gnaden", stottere ich. Dann fällt es mir ein. "Ihr habt diese Nachricht geschickt?"

Sie wendet sich an die Templer. "Lasst uns allein", sagt sie energisch, aber sie zögern. "Ich bin nicht in Gefahr vor Seiner Hoheit."

Die Templer gehen, und wir sind allein in der Dunkelheit.

"Ihr habt die Nachricht geschickt?" Sie nickt. "Und das Seil?" Schon wieder. Jetzt werde ich wütend. "Warum? Nur damit ich Euch zeigen kann, wie verzweifelt ich bin? Findet Ihr das lustig?"

"Ich habe geschrieben, weil ich verstehe, wie Ihr Euch fühlt."

"Ich bin Euch hier ausgeliefert. Musstet Ihr mich wirklich damit verspotten?"

"Sebastian." Ihre Stimme ist scharf genug, um mich dazu zu bringen, ihr in die Augen zu sehen. Sie sind taubengrau, weich und mitfühlend. "Ich bin auf Andrastes Dienst eingeschworen, aber das macht mich nicht unwissend über die Welt. Ich weiß, es ist nicht deine Entscheidung, hier zu sein."

"Es ist nicht so, dass ich keinen Glauben hätte...", sage ich im Verlangen mich zu Erklären.

"Ich weiß." Ihre Stimme ist leise, traurig, und ich vermute, dass sie die Wahrheit sagt. "Eure Eltern wollen die Kirche für ihre politischen Ziele nutzen." Sie hält inne. "Das ist kein Akt des Glaubens."

Sie nimmt meine Hand in ihre und dreht sie um. Sie legt einen Beutel hinein, schwer mit Münzen. Ich schaue hinein - alles Gold. "Das ist die Stiftung, die sie in Eurem Namen gemacht haben. Wenn dies nicht das Leben ist, das Ihr wollt, dann benutzt es, um ein anderes zu führen." Während ich sie entgeistert anstarre, schließt sie sanft meine Finger. "Die Menschen dienen dem Erbauer auf vielerlei Weise, Sebastian. Ihr musst kein Gelübde ablegen, um Sein Werk zu tun."

Sie schenkt mir ein schiefes Lächeln, das die Falten in ihrem Gesicht noch vertieft, und wendet sich dann um, um hineinzugehen. Als ihre Hand die Tür berührt, finde ich meine Stimme wieder.

"Aber warum?"

Elthina dreht sich um, und das Mondlicht verleiht ihr einen leuchtenden Heiligenschein, der sicher kein Zufall ist. "Weil niemand die Kirche jemals durch die Hintertür betreten sollte", sagt sie. "Der Einzige, der diese Verpflichtung eingehen kann, seid Ihr, Sebastian. Die Vordertür wird immer offen sein."

Damit verschwindet sie im Inneren der Kirche, und ich stehe allein in der Nacht. Ich schaue auf den Beutel mit den Münzen, genug, um für immer von meiner Familie und meinen Titeln befreit zu sein. Genug, um das Leben zu beginnen, das ich mir immer gewünscht habe, frei, meinen Launen zu folgen, zu lachen und zu lieben, wen und wo ich will. Genug, um zu sein...

Worte schießen mir durch den Kopf: nutzlos, ziellos, egoistisch, allein.

Ich war in einer Taverne, als Captain Leland mich fand. Ist das der Ort, an dem ich dem Erbauer entgegen treten will?

Ehe ich mich versehe, setzen sich meine Füße in Bewegung und führen mich aus dem Schatten in das helle Licht von Fackeln und des Mondes. "Danke", flüstere ich Andraste zu, bevor meine Hand die glatte bronzene Türklinke berührt und ich die Kirche betrete. Von vorne.


Anmerkungen[]

Die Kurzgeschichte wurde als eine von mehreren Begleiter - Geschichten im Jahr 2013 ausschließlich auf Englisch veröffentlicht und kann mittlerweile nicht mehr online aufgerufen werden. Das Original könnt ihr allerdings im Englischen Partnerwiki hier lesen. Der geschriebene Text ist ins Deutsche übersetzt worden und stellt keine offizielle Version dar.


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