"Sei vorsichtig, Da'len."
Die Warnung der Hüterin kommt - wie immer - zu spät, und ich stolpere über den Felsen, verletze meine Knie und schürfe mir die Handflächen durch den zerklüfteten Bergfels auf. Mythal'enast! Eines Tages werde ich lernen, darauf zu achten, wohin ich gehe. Ich kämpfe mich auf die Beine, die Hände blutverschmiert, und schaue mich um.
Wir sind da.
Der Höhleneingang ist unerträglich gruselig, selbst für den Sunderhügel, von dem man meinen könnte, dass er sich um eine Art Horrorauszeichnung bemüht. Der schrecklichste Berg in Thedas, vielleicht. Nebel wirbelt aus der Finsternis, als ob er atmen würde, und die Hänge um ihn herum sind kahl. Ein klaffender Schlund, der alles Leben in seiner Reichweite verschlingt...
Das ist keine gute Denkweise, Merrill. Denk' positiv! Wenigstens ist das Wetter schön.
"Du spürst es also auch." Die Stimme der Hüterin holt mich in die Realität zurück. Sie sieht mich erwartungsvoll an ... was bedeutet, dass ich etwas vergessen habe. Ich versuche, meine Tunika zu glätten, und es gelingt mir dabei, Blut auf die Vorderseite zu schmieren. Wunderbar. Und ich weiß immer noch nicht, worauf sie wartet - oh! Eine Antwort! Also gut.
"Ja, Hüterin. Die Stimme ist hier viel lauter." Das Flüstern schleicht in meinen Kopf, und wenn ich mich konzentriere, kann ich es wahrnehmen. Im Lager konnte ich sie nur in meinen Träumen hören, und als ich aufwachte, waren die Worte verschwunden. Es blieb nur die Erinnerung an eine schreckliche Einsamkeit. Selbst die Hüterin wachte in der zweiten Nacht schluchzend auf.
Komm zu mir.
Ich erschaudere. Das ist definitiv der Urspung.
"Folg mir, Da'len. Und verliere nicht den Kopf." Die Hüterin verschwindet in den hungrigen Schlund der Höhle. Ich atme tief ein und gehe hinein.
Die Dunkelheit ist ein Schock nach dem sonnendurchfluteten Berghang. Als würde man an einem heißen Tag in ein Becken mit eiskaltem Wasser springen. Meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, wir gehen durch einen schmalen Gang in einen großen Raum und ich sehe... Ruinen. Licht scheint durch Risse in der Decke, gebrochen durch den Wandel der Zeit und durch Baumwurzeln. Also doch keine Höhle? Ein Tempel oder ein Grabmal oder... Ich weiß nicht, was das ist. Seltsam.
"Das sieht nicht elfisch aus, oder, Hüterin? Vielleicht aus Tevinter?" Ich schaue zur Hüterin, die stumm und mit einem missbilligenden Blick, den ich nur zu gut kenne, auf eine Art Torbogen starrt. Armer Torbogen. Er hat nichts getan.
"Wenn dieser Ort Teil des Krieges war, dann ist es egal, wer ihn gebaut hat. Er ist gefährlich." Die Hüterin wendet sich von dem Torbogen ab und scheint ihn zu ignorieren. "Wenn er nicht aus dem Krieg stammt, ist er unbekannt und wahrscheinlich immer noch gefährlich." Ich bin mir sicher, dass sie irgendwo einen Fehler in ihrer Argumentation hat, aber es scheint, als wäre das Zentrum der gruseligen Grabhöhle ein schlechter Ort, um darüber zu streiten. Sie steigt eine kurze Treppe hinunter in den darunter liegenden Tempel.
Ich folge ihr und gebe dem Torbogen einen beruhigenden Klaps, während ich vorbeigehe.
Komm zu mir.
Die Stimme kommt vom anderen Ende des Tempels, von einer hässlichen Statue eines großen hockenden... Dings mit zu vielen Armen und Beinen. Nun, das sieht überhaupt nicht vielversprechend aus.
"Wer ruft uns?" fragt die Hüterin und richtet sich auf. Sie sieht so aus, wie ich mir die Elfen von Arlathan vorstelle, königlich und weise, und das Timbre ihrer Stimme sagt: Es ist mir egal, ob du ein Geist bist, ich werde dich verprügeln, wenn du mir einen Grund gibst. Mit dieser Stimme schimpfte sie einmal mit einem wilden Waldgeist, der daraufhin beschämt davonstolperte. Nun, so beschämt wie ein Baum eben aussehen kann.
Hilf mir.
Oh, das war ganz und gar nicht die richtige Antwort.
Hüterin Marethari scheint größer zu werden und wird zu einem gewaltigen Berg aus wütender Dalishhaftigkeit. "Nenne deinen Namen! Oder werde deinem Schweigen überlassen."
Ich bin einer, der gefangen ist. Helft mir.
"Dein Name!" Ich habe die Hüterin noch nie so wütend gesehen. Nicht einmal, als Tamlen verschwand.
Drei scheint die magische Zahl zu sein. Kühnheit. Die Stimme ist wie ein Winterwind, bitter und harsch.
"Ein Dämon." Die Hüterin spuckt das Wort aus, als würde es übel schmecken. Sie nickt mir zu: "Gefesselt an die Statue. Er wird das Lager nicht bedrohen." Sie wendet sich zum Gehen, zufrieden.
Wartet! Ich bin hier schon seit unvorstellbar langer Zeit gefangen. Ich war Zeuge des Untergangs eures Königreichs. Helft mir, Hüterin der Dalish, und ich werde Euch alles erzählen, was ich gesehen habe. Einen Moment lang sehe ich Visionen von der Welt, wie sie einst war. Ein Reich, das sich über ganz Thedas erstreckte, glitzernde Städte der Elfen.... All das könnte dir gehören.
"Komm, Da'len." Die Hüterin winkt. Die Vision verblasst.
Ich drehe mich um und folge ihr hinaus ins Licht.
Anmerkungen[]
Die Kurzgeschichte wurde als eine von mehreren Begleiter - Geschichten im Jahr 2013 ausschließlich auf Englisch veröffentlicht und kann mittlerweile nicht mehr online aufgerufen werden. Das Original könnt ihr allerdings im Englischen Partnerwiki hier lesen. Der geschriebene Text ist ins Deutsche übersetzt worden und stellt keine offizielle Version dar.
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