Dragon Age Wiki
Advertisement
Isabela
von Sheryl Chee
Isabela schmal


Die Frau, die den Gehängten Mann betritt, sieht aus wie eine Ratte, die eine Woche lang in der Bilge eingeweicht wurde, tropfnass und dreckig. Ihr zerrissener, wettergegerbter Kittel ist mit Ruß aus den Schornsteinen der Unterstadt befleckt, und ihre Stiefel sind zwar aus feinem Leder, aber abgenutzt und an einigen Stellen grob geflickt. Ihr Auftreten ist jedoch stolz, sogar arrogant, und sie schreitet in die Taverne, als gehöre ihr der Laden.

"Man hat mir gesagt, dass ich hier einen Drink bekommen kann", sagt sie und geht zielstrebig auf die Bar zu. Sie klatscht mir ein halbes Dutzend Silbermünzen auf den Tresen. "Was kriege ich dafür?"

"Es wird dich betrunken genug machen", sage ich.

"Dann lass den Schnaps fließen, bis die Münzen ausgehen. Und gib mir 'nen Starken."

Ich wische einen zerbrochenen Tonbecher mit meiner Schürze ab und fülle ihn mit dem stärksten Gebräu der Taverne. Sie reißt mir den Becher aus der Hand, bevor ich mit dem Einschenken fertig bin, und kippt das Getränk in einem Zug hinunter.

"Das hast du wirklich gebraucht, nicht wahr?" Ich gieße ihr einen weiteren Drink ein.

"Du hast ja keine Ahnung." Sie seufzt und reibt sich die Schläfen. "Man nennt mich übrigens Isabela. Du kannst dir den Namen merken. Ich glaube, ich werde noch eine Weile hier bleiben."

Es dauert nicht lange, bis ein übel riechender Hafenarbeiter auftaucht. Isabela versteift sich, als sie eine Hand auf ihrem Rücken spürt. Der Hafenarbeiter öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber er kommt nicht dazu. Isabela packt den Mann am Handgelenk und verdreht ihm den Arm nach hinten. Sein Schrei ist eher ein Schock- als ein Schmerzensschrei, aber das ändert sich schnell, als Isabela ihm ihren Ellbogen in den Nacken rammt und sein Gesicht auf die hölzerne Theke knallt.

"Rühr mich noch einmal an, und ich breche mehr als nur die hier", zischt sie ihm ins Ohr. Und dann schnappt sie sich die Finger der grabschenden Hand. Ich höre ein Knacken, mehrere unangenehme Knirschgeräusche und einen Schmerzensschrei. Der Hafenarbeiter schleicht sich davon, hält sich die Hand und flucht.

"Was?", sagt sie, hält mir den leeren Becher zum Nachschenken hin und fordert mich auf, einen Kommentar abzugeben, irgendeinen Kommentar. Ich deute auf ihr auffälliges Outfit - nichts weiter als ein Unterhemd, das ohne Jacke oder Mantel getragen wird und nur das Nötigste an Anstand bedeckt. Wenn man so etwas anzieht, zieht man die Aufmerksamkeit auf sich, ob man will oder nicht.

"Was? Das hier?" Sie zupft an den Schnürsenkeln ihres Mieders und stößt dann ein kurzes, bitteres Lachen aus. "Ich hätte mich für dich fein gemacht, aber ich habe alle meine höflichen Klamotten auf dem Grund des Ozeans gelassen."

Während ich über die Bedeutung dieser Aussage nachdenke, schleicht sich einer aus einer Gruppe von Unterstadt-Rüpeln an die Bar. Er grinst. Schmierige Lippen gleiten über gelbe Zähne in einem Ausdruck, der eher eine Grimasse als einem Lächeln ähnelt. "Ich bin Lucky", sagt er.

"Ist das ein Name oder eine Beschreibung?", fragt sie, ohne ihn überhaupt anzusehen.

"Es ist beides. Und wenn du neu in Kirkwall bist, solltest du mit mir reden. Meine Jungs und ich wissen alles, was in dieser Stadt vor sich geht."

"Weißt du", sagt Isabela kühl. "Ich kannte einmal einen Hund namens Lucky. Ein unausstehliches kleines Ding, das zu dumm war, um zu merken, dass er nur zwei Kläffer von einem Tritt in die Seite entfernt war."

Lucky wird knallrot und blickt seine Kumpels an, um moralische Unterstützung zu bekommen. Luckys Jungs spotten und lachen stattdessen, und Lucky zieht sich eilig zurück. Isabela spielt mit dem Tonbecher, dreht ihn hin und her und begutachtet seine zahlreichen Unvollkommenheiten. Ihre Augen verengen sich.

"Warte", sagt sie plötzlich. "Wenn du alles weißt, was in Kirkwall vor sich geht, sollten wir vielleicht reden."

Lucky nickt und grinst. Isabela wendet sich ihm zu, und ich sehe ein schelmisches Funkeln in ihren Augen.

"Weißt du", sagt sie und lächelt zum ersten Mal. "Ich habe bei einem Schiffsunglück etwas verloren, und ich möchte, dass es gefunden wird."


Anmerkungen[]

Die Kurzgeschichte wurde als eine von mehreren Begleiter - Geschichten im Jahr 2013 ausschließlich auf Englisch veröffentlicht und kann mittlerweile nicht mehr online aufgerufen werden. Das Original könnt ihr allerdings im Englischen Partnerwiki hier lesen. Der geschriebene Text ist ins Deutsche übersetzt worden und stellt keine offizielle Version dar.


Advertisement